Da saß ich Ende Februar im Dunkeln… 7 Tage hatte ich mich zu einem Dunkelretreat angemeldet, zu dem es so laut gerufen hatte. 7 Tage in vollkommener Dunkelheit. Ja, ich wollte sie erfahren. Die Dunkelheit. Sie begleitet mich schon so lange und gerade im letzten Jahr habe ich gemerkt, dass vieles, was über sie so erzählt wird nicht stimmt. Das ganze letzte Jahr durfte ich sie mir anschauen. In der Begegnung mit dem Tod. In vielen Monaten, in denen ich immer wieder krank im Bett lag. In der Ver-rücktheit der Welt da draußen und ganz oft in meiner Arbeit mit der Gebärmutter. Und gerade dort ist sie mir so oft als ein so kraftvoller und liebender Raum begegnet. Ein Raum voller Potential und Verheißung. Von unendlichen Möglichkeiten, Grenzenlosigkeit. Ja, auch ein Raum voller Geborgenheit und Schutz. Und doch passte irgendwie alles nicht zusammen.
Es rief danach, erforscht werden zu wollen. Und so habe ich mich angemeldet. Und das Leben fing an zu arbeiten. Lange bevor ich tatsächlich aufbrach, um einzutauchen in diese Dunkelheit. So fand im Herbst ein Buch zu mir („Die verlorene Göttin“ von Birgit Weidmann), das für mich eine Offenbarung war. Dort las ich von der Urmutterhöhle, der Finsternis, dem Chaos – einem immer kraft- und machtvollen Raum der Fürsorge und Regeneration. Ich weiß noch genau den Moment, als mir das wirklich bewusst wurde, was ich da gerade gelesen habe: Tod, Zersetzung und Krankheit als Momente tiefer Regeneration. Einer liebevoll umsorgenden Kraft, die der Seele ermöglicht, sich zutiefst zu erholen. Es widersprach in allem meinem Bild von Tod und Krankheit und immer wieder durfte ich selbst in diesen Momenten erfahren, wie schwer es mir fiel, wirklich in diese tiefe Annahme zu gehen. Diese Regeneration zu erlauben ohne sofort aktiv werden zu wollen, um möglichst schnell aus diesem schwachen Zustand herauskommen zu können. Nein, es fiel mir nicht leicht. Und doch begann sich da etwas in mir zu verändern, etwas das mich begleitet hat in den langen Stunden im Dunkeln. Eine Art stummes Vertrauen. Ein Gehaltensein. Einen weiblichen Blick aufs Sterben. Die Tod-in. Oder Frau Weisheit, wie sie sich mir in diesen Stunden vorgestellt hat. Und ich habe gemerkt, mit diesem weiblichen Blick durften so viele Ängste gehen. Ja, ich konnte die Dunkelheit als eine solche Kraft in diesen Tagen erleben. Wie ein sanfter Mantel hat sie sich um mich gelegt, mich eingehüllt, meinen Blick 7 Tage lang weich in die Unendlichkeit gerichtet, durfte dort alles sein. Durfte alles gedacht werden, gefühlt werden. Dort im Dunkeln, war alles so klar und unmittelbar. Kein Verstecken, kein Wegdrücken. Keine Masken. Pure Essenz. Es war wie ein Schutzraum dort im Dunkeln. Und mit Frau Weisheit an meiner Seite, die sich von nichts aus der Ruhe hat bringen lassen, durfte geschehen, was geschehen wollte. Auch das Einstürzen, auch das Zusammenbrechen, auch das Loslassen und auch die Tränen.
Und irgendwann auch der Satz: „Die Zerstörung gehört wieder in die Hände der Frauen!“ Er hat gerüttelt, dieser Satz. Er hat mich gefordert. Ich wusste zunächst gar nichts mit anzufangen. Bis es mir dann eben doch gedämmert ist. Ja, wir Frauen dürfen die Kraft wieder zu uns nehmen und davor fürchten wir uns ganz furchtbar! Wie oft haben wir die Zerstörung in der Welt angeprangert, die Verletzungen und uns nach dem Neuen gesehnt. Nach einer liebevollen Welt in Harmonie. Im Miteinander. In Achtung uns Wertschätzung. Wir oft haben wir uns in Kreisen getroffen, uns die Hände gereicht und unsere Verbundenheit zelebriert. Und wie oft, sind wir da dieser Welt mit ihrer Zerstörung davongelaufen, wenn wir mal ehrlich sind?
Dabei wissen wir darum. Monat für Monat bluten wir. Monat für Monat zerstören wir in uns das Nestchen, das wir für unser Baby geschaffen hatten, einfach weil wir wissen, dass es seine Zeit hatte. Und doch, es fällt uns schwer. diese Phase im Zyklus. Wir schmeißen all das aus dem System, was kein Bestand hat. Was vorbei ist, was verändert werden möchte. Könnten wir zumindest. Doch dann haben wir ein schlechtes Gewissen, wenn wir zickig sind und auf den Tisch haben. Halten uns zurück und halten dadurch zurück, was durch uns frei werden möchte. Ja, auch zerstört werden möchte. Wir wehren uns mit Händen und Füßen und unser Körper reagiert mit Schmerzen. Viele von uns Frauen kennen das. Und nach all den vielen Gesprächen mit den Frauen in meiner Praxis wage ich zu behaupten, dass fast keine Frau positive Bilder zu ihrer Blutung hat, wenn sie nicht schon vom Leben aufgefordert wurde, sich damit auseinanderzusetzen…
Und es ist kein Wunder, dass es uns so geht. Denn das Dunkle, das Schwarze, der Tod ist immer noch ein gesellschaftliches Tabu. Wir berühren also Monat für Monat etwas, das nicht sein darf… und hinzu kommt, dass die Qualität der Regeneration ebenfalls kein Platz hat. Immer mehr, immer weiter. Ohne Pause. Naja, ist ja kein Wunder, wenn Regenration ein anderes Wort für Tod und Krankheit ist. Wir wollen also nicht nur den Tod besiegen, sondern haben damit auch die Regenration ausgesperrt. Und uns in einen Teufelskreis begeben, den so viele Menschen gerade spüren. Und vor allem wir Frauen. Denn in uns läuft dieses Programm. Ob wir das nun wollen oder nicht. Und um uns herum spitzt sich alles so zu, dass wir auch kaum mehr wegsehen oder uns wegducken können.
Also wäre jetzt ein guter Moment, um innezuhalten und die eigenen Bilder zu überdenken und zu überschreiben und sich dann mal diesen Kräften wirklich zuzuwenden. Den Tod und die Krankheit nicht mehr als Scheitern der Versagen zu definieren, sondern die Kraft darin zu erkennen und sie anzunehmen und zuzulassen, bevor der Körper nicht mehr anders kann.
Wir können in der Dunkelheit wieder die bergende und schützende Mutterkraft entdecken, uns ihrer sorgenden Kraft hingeben und ihre Weisheit darin erkennen. Wir dürfen wieder lernen, sie zu empfangen und dazu bereit sein, uns überhaupt erst einmal leer zu machen, damit überhaupt was Neues ankommen kann. Wir können in ihrer Dunkelheit das Mysterium des Lebens und seine unendlichen Möglichkeiten darin erkennen und im Vertrauen jegliche Kontrolle abgeben, damit sich dieses Potential auch weit über unser Vorstellugsvermögen entfalten kann.
Ja, und wir dürfen erlauben, dass auch die zersetzenden Kräfte dort zu unserem Wohle wirken können, wo es die VerNICHTung braucht. Wo es erst mal ein Nichts herzustellen gilt, aus dem etwas Neues geboren werden kann. Dann können wir Monat für Monat neu anfangen. Doch alles, wie wir geprägt wurden hält uns davon ab.
Wir haben gelernt, lieb und nett zu sein. Ein braves Mädchen. Doch jetzt genau brauchen wir etwas anderes. Jetzt braucht es auch einmal unser Wüten. Unsere Raserei. Unsere Bewegung. Unsere Stimme. Ja, und unsere Zerstörung. Und zwar dort, wo es schon lange nicht mehr dem Leben dient. Harmonie bedeutet eben nicht nur „Friede, Freude, Eierkuchen“ sondern ein wirklicher Ausgleich. Und wenn es eben lange immer nur in eine Richtung ging, dann braucht es nun erst mal die Umkehr. Solange bis die Kräfte wieder im Ausgleich sind.
Frau Weisheit weiß darum. Sie kennt diese Kräfte und scheut sie nicht. Und so wird sie weise einsetzen. Und ja, sie wird auch dort die zerstörerischen Kräfte einsetzen, wo es nötig ist, um Harmonie zu erreichen. Sie weiß, um ihre regenerierenden Kräfte, doch sie weiß auch, dass Tod und Geburt eins ist. Dass dort am tiefsten Punkt im Sterben, das Neue geboren wird. Es sind die ewigen Zyklen der Natur. Der Schöpfung.
Wir alle sehnen uns nach dem Neuen. Nach einer liebevollen neuen Welt des Miteinanders. Doch wir werden den Weg dahin nicht abkürzen können. Im Moment stecken wir mitten im Sterben. Im Dunklen. In der Zersetzung. Und der einzige Weg da hindurch ist, uns an die Göttin und ihre Weisheit wieder anzubinden, darin die eigentliche Kraft und Qualität zu erkennen, aus der Angst hinauszutreten in ein tiefes Vertrauen und mit offenen Armen die Regeneration zu empfangen, die sie uns schenkt. Es einstürzen lassen und selbst loslassen. Nicht länger davon laufen zu wollen, sondern erkennen, dass genau das erst den Raum schafft, in dem etwas Neues entstehen kann. Dass erst dieser Prozess Energien freisetzt, die dann Neues zum Erblühen bringen lassen. Und so dürfen wir uns an unsere tief durch unsere Zyklen verkörperte Weisheit erinnern, dass aus dieser Phase der Schwärze und des Sterbens, das neue bereits geboren wird. Manchmal braucht es die Hingabe ans Sterben. Und manchmal wird es aber auch unsere ganz bewusste aktive Entscheidung brauchen, etwas bewusst zu zerstören. und das ist ok, wenn wir im Einklang mit unserer Weisheit handeln.
Wir Frauen tragen das Wissen um Erneuerung in uns. Wenn wir wieder lernen, auch wieder mit der Zerstörung umzugehen und sie als Teil der Schöpfung anzuerkennen, werden wir in sie immer den Same der Erneuerung legen, werden wir sie als Teil des ewigen Wandels verstehen und durch sie zum Wohle aller schöpfen. Doch es geht nur als Ganzes.
Also, Ladys, lasst uns mutig sein und uns auch dieser Kraft wieder öffnen. Jenseits all unsrer Vorurteile. Wir brauchen gerade Menschen, die sich vertrauensvoll und ohne Angst dafür öffnen können, all das Alte jetzt auch wirklich ziehen zu lassen. Verbunden mit der Schöpfung und dem Wissen um ewige Erneuerung.